dicke liebe

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Es gluckert im Neoprenanzug, ich stehe im hüfttiefen Wasser und gewöhne mich so langsam daran, dass mein Fuß im Matsch versinkt und mir selbiger zwischen den Zehen durchquillt. Eigentlich kann ich sowas überhaupt nicht aushalten: trübes Wasser, matschiger Untergrund und keine Ahnung, was da außer den Objekten der Begierde (dazu gleich mehr) noch so drin rumschwimmt. Aber es hat uns erwischt:

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Manatee ganz nah an unserem Boot

Wir haben einen Bericht gelesen über dicke Meeressäuger, die sich so langsam bewegen, dass Algen auf ihnen wachsen, die Pflanzenfresser sind und auch sonst ziemlich entspannt daherkommen. Die unwiderstehlich faltige Nasen, freundliche Knopfaugen und einen torpedoförmigen, plumpen Rumpf haben und entfernt mit Elefanten verwandt sind: Seekühe, englisch: Manatees. Also haben wir uns im Urlaub den Wecker auf 6.30 Uhr gestellt, weil wir ein Date mit den dicksten, skurrilsten und liebenswertesten Wassersäugetieren haben, die uns bisher über den Weg geschwommen sind.

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Die größte Gefahr für Manatees sind zu schnelle Boote

Wir haben ja in Neuseeland schon so einige „Encounters“ mitgemacht: Walbeobachtung, Schwimmen mit Delphinen und mit Robben. Stehen wir drauf. Seit heute aber haben wir neue Lieblingstiere: Seekühe sind die knuddeligsten Wasserviecher, die man sich vorstellen kann. Und Crystal River ist sozusagen das Manatee-Mekka, weil es hier warme Quellen gibt, die das Wasser ganzjährig konstant auf rund 20 Grad halten. Da die Dicken recht kälteempfindlich sind, überwintern sie hier zu Hunderten. Wir sind also im August deutlich außerhalb der Saison unterwegs, aber ein paar Exemplare bleiben das ganze Jahr über hier.

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Mithilfe der kräftigen Schwanzflosse bewegen sich Seekühe vorwärts

Wir haben eine Tour bei Stacy & Mike von Manatees in Paradise gebucht. Und das war gut so: Zwar gibt es in und um Crystal River viele Anbieter von Manatee Encounters, aber Mike und Stacy erhalten zu Recht Top-Bewertungen, z. B. bei Tripadvisor: Die beiden unterstützen das lokale Rescue Center und die Forschung und gehen sehr achtsam mit den Tieren um. Da uns auf unserer Tour auch jede Menge Boote anderer Anbieter begegnen, haben wir den direkten Vergleich – bei Mike und Stacy Dunn stehen nicht der Kommerz und das möglichst häufige Begrabbeln der Viecher im Vordergrund, sondern das Wohl der bedrohten Dickhäuter und die Vermittlung von Wissen über sie.

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Zehen im Matsch, Rest im Glück, als die Seekuh zwischen uns durchschwimmt (Foto: Mike Dunn)

Zurück zum Stehen im Matsch: Gleich zu Beginn der Tour, kaum 100 Meter vom Bootsanleger entfernt, finden wir eine Seekuh, die in Ufernähe grast, und nähern uns ihr vorsichtig. Da das Wasser hier ziemlich flach ist, sollen wir uns hinstellen und möglichst nicht bewegen. Das machen wir und nach wenigen Minuten schwimmt die Seekuh völlig cool zwischen uns durch und schubst uns sogar ein bisschen zur Seite, um zum nächsten leckeren Grasbüschel zu kommen. Ein bisschen unheimlich ist es mir zunächst schon, auf Tuchfühlung mit einem rund eineinhalb Tonnen schweren Vieh zu sein, Pflanzenfresser hin, Pflanzenfresser her. Doch zu faszinierend ist es, diesem urzeitlich anmutenden Tier so nah zu sein.

Die Seekuh und ich

Die Seekuh und ich (Foto: Mike Dunn)

Dann möchte die nächste Bootsladung näher ran, und wir gehen zurück auf unser Boot, um weitere Manatees aufzuspüren. Bei einem der nächste Schwimmgänge darf ich als erste vom Boot und eine Seekuh schwimmt direkt auf mich zu! Ich halte die Hand ein bisschen vor mich, sie stupst mich mit der Faltennase an und schwimmt gemächlich weiter. Ich schwebe im Wasser und darf sie kurz am Rücken anfassen. Ihre Haut fühlt sich rau an, wie ich mir die eines Elefanten vorstelle, aber gleichzeitig ziemlich glitschig. Danach klettere ich über die Leiter zurück aufs Boot und kriege das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht.

Irgendwie scheint sie die geballte Aufmerksamkeit zu mögen ...

Die geballte Aufmerksamkeit scheint sie nicht zu stören  (Foto: Mike Dunn)

So geht es den ganzen Vormittag über weiter: Wir sitzen auf dem Boot und fahren fast lautlos über den Fluss, bis Mike eine Seekuh entdeckt hat. Dann gleiten wir langsam und mit möglichst wenig Geplätscher von Bord und schwimmen vorsichtig hin. Dabei ist es wichtig, sich wenig zu bewegen, einfach im Wasser zu schweben und nach unten zu schauen. Mike dirigiert uns vom Boot aus, weil wir im trüben Wasser nicht viel sehen. Es ist sehr seltsam. Ich schwebe an der Wasseroberfläche, starre angestrengt durch meine Taucherbrille und plötzlich gleitet ein hellgrauer Schatten unter mir durch. Manchmal kommt auch eine faltige Nase ins Bild, und dann schwebt das Tier auch schon weiter, auf der Suche nach dem nächsten leckeren Unterwassergras. Zwischendrin auf dem Boot erzählt uns Mike viel von seiner Arbeit und den Manatees. Bei den Touren dürfen auch Kinder mitschwimmen, was wir und die Zaubermaus natürlich klasse finden.

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Crystal River, ganzjährig Lebensraum vieler Seekühe

Gegen Ende der Tour fährt unser Bootsführer mit uns noch zu einer kalten Quelle mitten im Fluss, wo das Wasser plötzlich viel tiefer und kristallklar ist. Und angenehm kühl! Bei Lufttemperaturen von über 35 Grad ist das eine willkommene Erfrischung. Wir hüpfen nochmal ohne Neopren rein, ertauchen Muscheln vom Grund und fühlen uns einfach wunderbar.

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